Interview mit dem Kurator der Londoner Ausstellung Michelangelo, Leonardo, Raphael: Florence, c. 1504

Rocco Forte Hotels

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war Florenz ein Zentrum künstlerischer Brillanz. Hier kreuzten sich kurzzeitig die Wege von Michelangelo, Leonardo und Raffael – drei Titanen der italienischen Renaissance.  Am 25. Januar 1504 trafen sich die bedeutendsten Künstler der Stadt, um über den Standort für Michelangelos David zu beraten. Unter ihnen war auch Leonardo da Vinci, Michelangelos größter Rivale. 

Die Ausstellung Michelangelo, Leonardo, Raphael: Florence, c. 1504 in der Londoner Royal Academy of Arts beleuchtet die komplexe Beziehung der beiden sowie ihren Einfluss auf den jungen Künstler Raffael. Wir haben mit dem Kurator der Ausstellung, Julien Domercq, gesprochen, um mehr über die Hintergründe ihrer Kunst und über die Ausstellung selbst zu erfahren.

Inwiefern hat das Wissen um die Arbeit der anderen, insbesondere im Florenz des Jahres 1504, die künstlerischen Grenzen und die Innovationskraft dieser drei Künstler erweitert?

Das geschah auf unterschiedliche Weise. Leonardo ließ sich vermutlich am wenigsten von den anderen beeinflussen, auch wenn die Nähe zu Michelangelo zusätzlichen Druck ausgeübt haben muss. Michelangelo war sich der Konkurrenz wahrscheinlich bewusster. Seine Kreidezeichnungstechnik ist möglicherweise von Leonardo beeinflusst, und er legte Wert darauf, seinen eigenen Stil herauszuarbeiten. Raffael war zu dieser Zeit Anfang 20. Er saugte alles auf, was ihm bei der Entwicklung seines eigenen Stils nützlich sein konnte. Das heißt nicht, dass er die anderen kopiert hat, sondern dass sie ihn inspiriert haben. 

Wie hat ihr Wirken in Florenz zu dieser Zeit die Entwicklung der Kunst im Allgemeinen beeinflusst?

Michelangelos Rundbilder, insbesondere sein Marmorrelief Taddei Tondo, das in der Royal Academy of Arts zu sehen ist, markieren einen wichtigen Schritt in der Entwicklung dieser typischen Florentiner Form. Michelangelo hat die Komposition der Bilder revolutioniert, indem er einen zentrifugalen Ansatz verfolgt hat, der auch von nachfolgenden Künstlern genutzt wurde. Sowohl Michelangelos als auch Leonardos Entwürfe für ihre nie fertiggestellten Fresken für den Palazzo Vecchio haben spätere Generationen beeinflusst: Leonardo mit seiner Betonung auf Mimik und Michelangelo mit seiner Faszination für die Spannungen des Körpers, die die Grundlage für den Manierismus bilden sollte. 

In der Ausstellung werden die Zeichnungen für die Gemälde Schlacht von Anghiari und Schlacht von Cascina vereint. Können Sie die Entscheidung erläutern, diese beiden Werke zusammen auszustellen?

Wir wollen so viele Zeichnungen für die Schlachten wie möglich zusammenbringen und damit die gegensätzlichen Ansätze der Künstler verdeutlichen. Leonardo hat sich auf die Darstellung von vier kämpfenden Hauptmännern konzentriert, während sich Michelangelo für die Darstellung nackter Soldaten entschied, die sich im Fluss Arno abkühlen. Die beiden grundverschiedenen Ansätze zeigen, was für eine Vielfalt an Visionen sich mit Kunst erzielen lässt.  

Es muss etwas sehr Besonderes sein, eine Ausstellung von diesem Kaliber zu kuratieren. Was hat Sie an den Beziehungen zwischen diesen Künstlern am meisten überrascht?

Es ist unglaublich. Ich muss mich oft kneifen. Mich überrascht die anhaltende Aura der Werke. Einige Werke haben am Ende nie existiert und dennoch unzählige Künstler beeinflusst. Vielleicht ist das ihr melancholisches Vermächtnis: eine künstlerische Sehnsucht nach dem, was hätte sein können. Sie sind nicht verschollen. Es gab sie einfach nie. Es ist eine sehr eindrucksvolle Geschichte.

Haben Sie ein Lieblingswerk innerhalb der Ausstellung, das Sie besonders faszinierend oder emotional finden?

Das ist keine leichte Entscheidung, aber mein Favorit ist eine kleine Zeichnung von Raffael. In dieser ungewöhnlichen Arbeit stellt Raffael zwei von Michelangelos Badenden von hinten dar, als ob er sich selbst unter ihnen am Ufer des Arno befände. Er hat sogar ihre am Ufer verstreuten Kleidungsstücke abgebildet. Es ist, als wäre er in Michelangelos Darstellung der Schlacht von Cascina eingedrungen und hätte die Badenden von Michelangelo zu seinen eigenen gemacht.

Michelangelo, Leonardo, Raphael: Florence, c. 1504 ist vom 9. November 2024 bis 16. Februar 2025 in der Royal Academy of Arts in London zu sehen. Gäste des Brown’s Hotel können sich auf eine kunstgefüllte Auszeit in Mayfair mit VIP-Tickets für die Ausstellung freuen. Oder tauchen Sie tiefer in die italienische Renaissance ein und entdecken Sie das Werk von Leonardo, Michelangelo und Raffael mit einzigartigen Erlebnissen im Hotel Savoy in Florenz, im Hotel de Russie oder Hotel de la Ville in Rom oder im Rocco Forte House in Mailand. 


You may also like

Das kulturelle Juwel Berlins: 200 Jahre Museumsinsel

Aus diesem einzelnen, neoklassizistischen Gebäude entstand im Laufe der Zeit auf einer Insel im Herzen der Stadt ein einzigartiges Ensemble aus fünf weltberühmten Museen. Heute ist die Museumsinsel UNESCO-Weltkulturerbe und zählt zu den bedeutendsten kulturellen Destinationen Europas. Besucher erwarten Meisterwerke wie die 3.000 Jahre alte Büste der Nofretete und romantische Gemälde des ikonischen deutschen Künstlers Caspar David Friedrich.

Farben der Rebellion: München und die Geburt des Blauen Reiters

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war München ein Zentrum künstlerischer Innovation. Inmitten sich wandelnder sozialer Gegebenheiten entstand durch den intensiven Ideenaustausch eine neue Schule, die den Verlauf der modernen Kunst prägen sollte: Der Blaue Reiter. Diese avantgardistische Künstlergruppe drückte durch ihren radikalen Bruch mit der Tradition und ihre mutige Erforschung von Farbe und Spiritualität der modernen Kunst ihren ganz eigenen Stempel auf.

Eine Reise in das kulturelle Herz von Agrigent

Agrigents Wurzeln reichen so tief wie die der knorrigen Olivenbäume, die die mediterrane Landschaft prägen. Die Stadt wurde vor über 2.500 Jahren als Akragas gegründet und entwickelte sich zu einer der größten Städte der griechischen Antike. Das einst blühende kulturelle und politische Zentrum an der atemberaubenden sizilianischen Küste wurde vom griechischen Dichter Pindar als „die schönste Stadt der Sterblichen“ gepriesen. Heute ist diese Pracht im Tal der Tempel verewigt.